Mittwoch, 19. Oktober 2016

Komparse heißt das

Es ist fünf Uhr zwanzig und ich bin seit ein paar Minuten wach. Ich höre wie mein Mitbewohner gerade nach hause kommt und bleibe noch ein bisschen liegen. Eine halbe Stunde später, mache ich mich auf den Weg zu meinem ersten Filmdreh.
Es ist dunkel und gar nicht so kalt wie ich dachte. Ich bin irgendwo zwischen müde und nicht anwesend, stehe an der Haltestelle und ignoriere das schlechte Wetter. Ganz in der Hoffnung, dass das schlechte Wetter mich auch ignoriert und einfach weggeht. Irgendwann kommt die Bahn und ich sitze neben anderen Leuten die allesamt von Freude befreit in die Gegend starren auf meinem Platz. Mein erstes Ziel ist bald erreicht. Der Hauptbahnhof sieht im Regen aus wie ein nasses Gebäude. Ich laufe zu der nächsten Haltestelle und warte wieder auf eine Bahn. Die lässt sich nicht mehr Zeit als angekündigt. Trotzdem fühlt sich rumstehen und glotzen an wie eine Ewigkeit die den Namen auch verdient. Ich will das nicht.
Irgendwann kommt das Transportmittel doch und nimmt mich in sich auf. Nach einer Weile spuckt es mich wieder aus. Ich bin dort wo ich hin wollte und habe keine Ahnung wo das ist. Lampen gibt nur wenige und ich erwarte mindestens drei Männer im Trenchcoat zu sehen, die sich dicke braune Briefumschläge oder Aktenkoffer zu stecken. Wenigstens einer wird erschossen und im Gebüsch sitzen Wölfe. An einer Bushaltestelle stehen noch mehr Menschen und machen einen verlorenen Eindruck. Ich stelle mich dazu und falle nicht weiter auf. Erschossen wird keiner.
Noch zwei Ewigkeiten später kommt das Auto mit dem Menschen der mich abholt. Er hat einen Namen den ich mir nur schlecht merken kann und wir fahren los um einen Dritten abzuholen dessen Namen ich nie wusste. Überhaupt ist der Dritte im Auto fast schon ein Phantom. Die Fahrt mit all ihren Hochs und Tiefs läuft in meiner Erinnerung mal mit mal ohne ihn ab. Als wir abholen zum Beispiel, ist er dabei. Als wir das erste mal unser Ziel erreichen schon nicht mehr. Dann kurz wieder, dann nicht und zum Schluss steigt er mit aus dem Auto. Seltsamer Typ.
Auch seltsam ist das Orientierungsverständnis derer die uns heute als Komparsen gebucht haben. Da wo wir sein sollen um da zu sein, ist irgendwie nichts. Gut da steht ein Haus. Aber das brauchen wir im Moment nicht und sonst gibt es auch keinen Menschen. Schon gar keinen der uns weiter helfen kann. Es gibt natürlich Stimmern die jetzt sagen werden, der Weg ist das Ziel und fühlen sich damit auch noch im Recht. Wenn das wirklich so ist, werde ich das nächste mal nach dem Aufstehen kurz in die Richtung gehen wo ich hin soll, mich dann angekommen fühlen und wieder in mein Bett gehen. Das wird so schön.
Weil ich aber im Moment nicht im Bett liege, sondern vor einem nutzlosen Haus in der Gegend stehe, rufe ich eine Menschin an die schon dort sein sollte wo wir auch hin gehören und nicht viel später haben wir Sichtkontakt.
So ein Filmset im Wald unterscheidet sich auf den ersten Blick ja nicht groß von einem Wald ohne Filmset. Es gibt Bäume, Boden und Regen. Es laufen nur mehr Leute rum, die wissen was sie zu tun haben und nebenbei schlechte Laune verbreiten. Damit wir auch wissen was wir zu tun haben, werden wir geschickt. Zur Garderobe nämlich. Da können wir unsere Sachen verstauen und neue abholen. Das heißt für mich und den anderen erst mal nichts. „Jo das passt so.“ Ist der fachmännische Kommentar zu unseren Kostümen die ja eigentlich unsere Kleidung sind und wir werden weiter geschickt.
Neben der Garderobe gibt es auch noch einen Kantinenlaster und einen alten Bus der zum drinnen sitzen und raus gucken einlädt. Das machen wir auch, später. Zuerst geht’s da hin wo alle sind und wir bekommen uns erklärt. Also die uns die wir sein sollen wenn die Kamera läuft.
Wir sind die Bösen die sich verkleiden und dann passiert was. Vorher war auch noch was und zwischendurch geht’s durch den Wald. Das ist grob die Handlung und ich schaffe es auch ganz gut ich in meine Rolle rein zu finden. Ich verleihe meinem Charakter noch ein wenig mehr tiefe und lege ihn als Homosexuellen an. Damit sich das in meinem Spiel auch wiederfindet gucke ich immer allen Kerlen auf den Hintern.
Bevor wir anfangen zu drehen, wird noch mal erklärt was wir genau zu tun haben. Wir verstecken uns hinter einem Baum, kommen auf Bitte angelaufen und gucken wild durch die Gegend. Hie sagt man nämlich nicht ACTION sondern BITTE. Das hört sich auf den ersten Blick nett an, ist es aber gar nicht. Der Onkel der immer Bitte ruft mein das nämlich nicht so. Der meint das eher so „Jetzt mach was ich sage oder ich schuppse dich“. Weil wir immer machen was er sagt, wird keiner geschuppst und bald schon gibt es Mittag.
Das Mittag ist wie jedes andere Mittag auch an einem Filmset, glaub ich. Es gibt warmes Essen und
Nachtisch. Getränke gibt es auch. Besonders freue ich mich über die Küchenrolle die man sich wegnehmen kann. Überhaupt gibt es am Speiselaster alles mögliche zum wegnehmen. Pflaster, Ketchup und auch mal Salat. Ich will nur Küchenrolle. Meine Nase heult schon seit zwei oder zwölf Stunden und eine Schnupfennase passt so gar nicht zu meiner Rolle. Ich bin ja ein harter Hund und so ein harter Hund hat nix mit Triefnase zu tun. Ein harter Hund hat seine Ausläufe unter Kontrolle, was da auch komme.
Was nach dem Mittag kommt lässt ist nicht so lang und Fesselspiele gibt’s auch noch. Nur ein bisschen und anders als die meisten jetzt denken, aber trotzdem. Nach dem Fesseln sind wir dran mit warten. Wir sitzen in dem Bus und gucken aus dem Fenster. Bis auf Kinderriegel passiert eine ganze Weile nichts. Ich nutze die Zeit um mich zu erkundigen wann denn die Folge im Fernsehen läuft und wie die überhaupt heißt. Chefsache wird gesagt und in ungefähr einem halben Jahr. Ich überlege wie ich meinen Karriereanfang vernünftig zelebrieren kann und überlege was die Arena für einen Abend kostet. Da ich keine Lust habe zu fegen werde ich wohl doch auf mein Wohnzimmer ausweichen. Bevor ich in Gedanken weiter komme geht es weiter mit uns vor der Kamera. Ich will nicht zu viel verraten, aber es wird sich angezogen und durch den Wald geschlichen. Wer da jetzt noch nicht begeistert ist kann eigentlich auch aufgeben.
Nach gefühlten mehreren Stunden ist es vollbracht und nach vielen Bitte`s und Noch mal`s dürfen wir wieder zurück in unser normales Leben ohne den Ruhm und den Glamour. Weil eine Bahn sich noch zehn Minuten Zeit lässt komme ich icht ganz so gut gelaunt zu hause an, bin aber froh diesem Leben für die Kunst einen Moment den Rücken zukehren zu können.
Ich überlege schon welche Rolle mich als erstes zu einem Oscar bringen wird. Ich werde wohl Tom Hanks spielen. Das wird geil wenn ich mir dann den Preis abhole und Tom Hanks nicht gewinnt. Pech gehabt sag ich ihm dann. Im Jahr darauf spiele ich Jennifer Aniston und gewinne sowohl den Oscar für die männliche als auch die weibliche Hauptrolle und Heirate Brad Pitt, mindestens.


Eine den tatsächlichen Geschehnissen nachempfundene Darstellung.

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